
Das Ende einer besonderen Freundschaft – meine Seelenschwester
Manche Menschen treten in unser Leben, und wir spüren sofort: Das hier ist etwas Besonderes. Nicht nur eine Freundin, nicht nur eine Weggefährtin – sondern jemand, der unsere Seele berührt, als hätte sie schon immer dazugehört. Ariane war für mich so ein Mensch. Meine Seelenschwester.
Es war eine Freundschaft, die langsam, sanft begann und immer mehr an Tiefe gewann.
Wir lachten zusammen, wir reisten zusammen, wir standen gemeinsam Stürme durch. Es gab keinen Tag ohne Worte, ohne dieses stille Wissen: „Ich bin da – und du bist da.“
Doch manchmal verändert sich ein Weg leise, fast unmerklich. Bis man plötzlich an einer Kreuzung steht, an der der andere nicht mehr neben einem geht.
Name geändert. Einzelheiten zum Schutz Beteiligter bewusst anonymisiert.
Es war im Jahr 2009, als unsere Wege sich zum ersten Mal kreuzten – eher zufällig, über vier kleine Notmeerschweinchen, die bei mir einzogen. Damals war ich im Meerschweinchen-Forum unterwegs, und dort stolperten wir immer wieder übereinander. Irgendwann begannen wir, private Nachrichten auszutauschen.
Im September desselben Jahres tauchte Facebook in meinem Leben auf – genauer gesagt durch Spiele wie Farmville und ein Aquarium-Spiel, bei dem viele aus dem Forum mitmachten. Auch Ariane war dabei. Wir schrieben immer mehr, anfangs noch eher distanziert. Knapp zwei Jahre ging das so. Es gab Phasen, in denen wir wochenlang kaum Kontakt hatten, doch unsere Interessen ähnelten sich, und die Wellenlänge stimmte.
Ein kleines Detail, über das wir damals schmunzeln mussten: Unsere Vornamen beginnen beide mit A – und wir haben sogar dieselbe Blutgruppe: A+. Ich habe das A+ in eines meiner Tattoos reinstechen lassen.
Ariane lebte damals in Paderborn, war aber gebürtige Schweizerin. Eine unserer gemeinsamen Leidenschaften waren Videospiele – vor allem die Final Fantasy-Reihe. 2011 wurde ein wichtiges Jahr: Ariane zog mit ihren Kindern zurück in die Schweiz, und wir beschlossen, dass es endlich Zeit war, uns persönlich zu treffen.
Unser Plan: ein Treffen am Bodensee. Anfang August 2011 war es soweit. Ariane reiste mit Zug und Fähre, ich fuhr mit dem Auto. Treffpunkt: Meersburg. Ich war unglaublich aufgeregt. Bis heute habe ich das Bild vor Augen, wie ich um eine Kurve fuhr, den Bodensee sah – ein Zeppelin am Himmel – und da stand Ariane.
Das Wasser des Bodensees glitzerte im Sonnenlicht, als lägen tausend kleine Spiegel auf den Wellen. Aus der Ferne das tiefe Horn der Fähre, warmer Asphalt unter meinen Schuhen, die Luft nach See und Sommer. In diesem Moment wusste ich: Das hier wird wichtig.

2013 besuchte ich sie zum ersten Mal in der Schweiz, dann wieder 2015. 2015 überwanden wir – unabhängig voneinander und ohne es abzusprechen – unsere Flugangst und planten jeweils einen London-Trip. Ich flog im Juli, sie im August. Ab da packte uns die Reiselust. Ab 2016 folgten gemeinsame Roadtrips, Städtetrips und jährliche Besuche bei ihr. Wir wurden beste Freundinnen – Seelenschwestern. Ich war stolz auf uns. Diese Freundschaft war für mich etwas Einzigartiges – so nah, so selbstverständlich, so sicher wie nichts zuvor in meinem Leben. Kein Tag verging ohne Kontakt. Schon morgens begann es mit einem „Guten Morgen“ und endete abends mit einem „Gute Nacht, schlaf gut und träum was Schönes 💜😘🌙💤“. Wir teilten (fast) alles miteinander, waren füreinander da in den schlimmsten Momenten, hörten zu, bauten uns auf, standen gemeinsam durch üble Zeiten. Kleine Meinungsverschiedenheiten gab es natürlich, aber die klärten wir sehr zügig.
Wir reisten zusammen nach Schottland, Irland, Portugal, London und Rom. Gemeinsam entdeckten wir Orte, sammelten Erinnerungen, die ich bis heute wie kleine Schätze hüte.
Unsere Urlaubslieder: Mein aktuelles Lieblingslied als Weckklingelton – sie hörte es jeden Morgen, bis es zum Soundtrack des Trips wurde.
Und dann – Ende 2022 – begann Ariane, sich zurückzuziehen. Ganz langsam, fast unmerklich. Die Antworten wurden kürzer, wortkarger, gefühlsloser. Weihnachten und Silvester kamen und gingen. Vielleicht hätte ich da schon reagieren müssen. Doch da war sie wieder, meine alte Blockade – ausgelöst durch ein früheres Freundschaftstrauma. Ariane wusste davon. Sie wusste, wie ich in solchen Momenten ticke.
Ich merkte, wie die Kommunikation immer weniger und einseitiger wurde. Eigentlich schrieb fast nur noch ich. An meinem Geburtstag kam dann gar nichts – wo sie mir sonst pünktlich um Mitternacht oder als Erste in der Früh gratuliert hatte. Ich ließ es erst mal so stehen, schrieb aber einen langen Brief. Keine Antwort. Keine Reaktion.

Am 13. Juni 2023 schrieb ich erneut – diesmal direkter, so wie wir es immer gehalten hatten:
„Hallo? Ich möchte schon mal wissen, warum du dich gar nicht mehr meldest? Was ist los? Und was habe ich dir getan? Ich habe jetzt einige Zeit abgewartet… und grüble rum…“
Ein paar Stunden später kam ihre Antwort:
„hallo… ich möchte keine freundschaften, beziehungen, etc mehr, es tut mir nicht mehr gut, es fühlt sich belastend an. ich möchte es bewusst so. es hat mir niemand etwas angetan. es hat sich so entwickelt. ich hoffe, das kann ich so stehen lassen und du solltest nicht mehr darüber nachdenken müssen.“
Ich war wie vor den Kopf gestoßen. Mir schossen die Tränen in die Augen. Ich verstand es nicht – und tue es bis heute nicht. Einfach alles weggeworfen.
Lange konnte ich nicht reagieren. Wieder diese Starre. Irgendwann schrieb ich ihr zurück, zeigte Verständnis, sagte, dass ich immer für sie da sein werde, egal was ist. Sie könne sich jederzeit melden. Diese Nachricht hat sie nie gelesen.
Am meisten tat mir weh, dass kein „Danke für die gemeinsame Zeit“ und kein „Mach’s gut“ kam. Ihre Worte wirkten sachlich, fast kalt. Vielleicht war sie an einem Punkt, an dem jedes warme Wort die Tür wieder geöffnet hätte – und genau das konnte oder wollte sie nicht. Das wurde mir nicht sofort klar. Erst mit Abstand, nachdem ich ihre Nachricht immer wieder gelesen hatte, fiel mir diese Kälte wirklich auf – und sie lässt mich bis heute nicht ganz los.
Vielleicht hätte man das Ganze wenden können, wenn wir uns von Angesicht zu Angesicht gegenübergesessen hätten. Aber auch da wäre die Gefahr gewesen, dass sie mir gar nicht erst die Tür öffnet.
Trotz allem habe ich ihr in den letzten zwei Jahren immer wieder Postkarten aus dem Urlaub geschickt – so wie früher. Früher freute sie sich immer sehr darüber. Doch ihr Leben wurde zunehmend eingeschränkt, vor allem durch ihre Tochter. Reisen, die Ariane so geliebt hatte, gab es nicht mehr. Sie sagte irgendwann, sie brauche das nicht mehr.
Ariane war die letzten Jahre in einer sehr schwierigen Situation. Alleinerziehend in der Schweiz zu sein, ist hart. Ihre Tochter entwickelte sich leider in eine Richtung, die man niemandem wünscht. Ich vermute, dass das damit zu tun hat. Ariane hatte immer weniger Freunde und Bekannte – am Ende war gefühlt nur noch ich übrig.
Welche psychischen Probleme ihre Tochter genau hatte, weiß ich nicht, und das steht mir auch nicht zu, zu beurteilen. Aber es waren Drogen im Spiel, Narzissmus, toxisches Verhalten. Ariane wurde psychisch erpresst, vereinnahmt – über die Jahre immer mehr. Wir sprachen oft darüber. Es gab Vorfälle, bei denen ich fast die Polizei gerufen hätte.
Wir hatten sogar Pläne für später – für die Zeit, wenn wir „alt“ sind. Wir waren uns sicher, dass wir beide ohne Partner sein würden und dann einfach eine WG gründen. Zusammen Abenteuer erleben, Ausflüge machen, vielleicht noch die ein oder andere verrückte Reise. Dieser Gedanke war wie ein stilles Versprechen für die Zukunft – und vielleicht gerade deshalb tut es so weh, dass er sich jetzt in Luft aufgelöst hat.
Manchmal frage ich mich, ob ich als Freundin, als Seelenschwester, versagt habe. Ob es diesen einen Moment gab, in dem ich für sie nicht so da war, wie sie es gebraucht hätte – und sie sich deswegen entschied, alles zu beenden, ohne noch einmal darüber zu reden.

Vielleicht ist das mein Overthinking, das wieder durchkommt, mein ewiges Zerdenken von allem. Und doch lässt mich der Gedanke nicht los, dass es vielleicht eine Seite an Ariane gab, die ich nie gesehen habe. Als wir uns kennenlernten, gab es in ihrem Leben keine anderen engen Freunde. Vielleicht macht sie nach einer gewissen Zeit einfach einen radikalen Schnitt, um von vorne anzufangen. Aber 14 Jahre Freundschaft – das wirft man nicht leichtfertig weg.
Es gibt Tage, an denen ich ihre Worte noch einmal lese – wie ein Lied, das nicht aufhört zu laufen. Ich weiß, dass das Grübeln mich nicht weiterbringt, und doch braucht mein Herz Zeit, um zu begreifen, was der Verstand längst verstanden hat.
Ich bin mir sicher, dass sie mich nie ausgenutzt hat und ich auch sie nicht. Ich habe das nie so empfunden. Unsere Freundschaft war aufrichtig, tief und gegenseitig. Vielleicht ist es genau das, was es so schwer macht zu verstehen, warum alles so plötzlich vorbei war.
Heute bleibt nur die Leere. Das Vermissen. Der Wunsch, noch einmal mit ihr zu reden, sie zu sehen, gemeinsam zu lachen. Andrea war nicht nur eine Freundin. Sie war ein Teil von mir – und das reißt eine Lücke, die sich nicht so leicht füllen lässt.
Vielleicht werde ich nie erfahren, warum es so enden musste. Vielleicht gibt es auf manche Fragen keine Antwort – nur ein leises Echo aus Erinnerungen. Aber eines weiß ich: Die Jahre mit Andrea waren wertvoll. Sie haben mich geprägt, getragen, mir gezeigt, was echte Verbundenheit bedeutet.
Auch wenn unsere Wege sich getrennt haben, bleibt ein Teil von ihr in mir – in den Erinnerungen an Bodenseetage, lange Gespräche, spontane Reisen und stilles Verstehen. Ich werde sie vermissen, wahrscheinlich für immer.
Und tief in meinem Herzen, ganz tief, lebt noch ein kleines Stück Hoffnung, dass sich unsere Wege eines Tages wieder kreuzen. Dass sie den Mut und den Weg zurückfindet. Ich bin da…
Letztes Jahr sah ich zufällig ein Bild von ihr in der Story ihrer Tochter. Sie wirkte so unendlich traurig. In diesem Moment hätte ich sie am liebsten einfach in den Arm genommen – so wie früher.
Vielleicht, irgendwo da draußen, denkt sie manchmal auch an mich.
Und vielleicht… ist es doch kein endgültiges Ende.
Wo immer du gerade bist: Ich hoffe, es geht dir gut.
Und falls du eines Tages wieder anklopfen möchtest – meine Tür ist angelehnt.
Und nun werde ich weiter hoch in den Himmel schauen und auf eine Sternschnuppe hoffen…

Ein besonderes Geschenk:

2016 habe ich diese zwei identische Quilts genäht. Einen für meine Seelenschwester und einen für mich…
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