Es gibt Dinge, die für andere völlig selbstverständlich sind. Eine Rolltreppe benutzen zum Beispiel. Für mich ist das seit etwa zwei Jahren nicht mehr möglich – zumindest nicht allein.
Ich habe Fallangst. Und ich sage das inzwischen ganz offen, weil es unterwegs ohnehin schnell auffällt. An Rolltreppen komme ich oft nicht weiter. Besonders schlimm ist der Moment, wenn ich von festem Boden auf die sich bewegende Fläche treten muss, die direkt nach unten führt. Mein Körper rebelliert in diesem Moment komplett. Es fühlt sich an, als würde ich vornüber kippen. Die Beine sind instabil, der Gleichgewichtssinn meldet Alarm, das Herz schlägt bis zum Hals.
In diesem Beitrag geht es um das Thema Fallangst, körperliche Unsicherheit beim Gehen sowie angstauslösende Situationen in der Öffentlichkeit (z. B. Rolltreppen, Gleichgewichtsprobleme). Wenn dich solche Themen belasten, lies bitte nur weiter, wenn du dich emotional stabil genug fühlst.
Wie es angefangen hat
Angefangen hat alles mit körperlichen Beschwerden in den Beinen – Muskelziehen, Schmerzen, ein instabiles Gefühl. Eine Ursache wurde zwar gefunden, aber das Unsicherheitsgefühl blieb. Ich habe oft das Gefühl, meine Beine tragen mich nicht zuverlässig – besonders auf schrägen Flächen oder bei Bewegungen, die mir keine Kontrolle lassen. Und genau da setzt die Angst an. Das Vertrauen in den eigenen Körper ist angeschlagen.
Was genau ist eigentlich Fallangst?
Fallangst ist die Angst, zu stürzen – und wird oft mit Sturzangst oder Höhenangst gleichgesetzt. Sie tritt in Situationen auf, in denen wir uns unsicher fühlen oder mit einem Sturz rechnen, z. B. beim Gehen auf glatten Wegen, beim Treppensteigen oder in großer Höhe. Sie kann sowohl nach Stürzen entstehen als auch ohne konkretes Erlebnis auftreten – einfach durch das Gefühl, instabil zu sein.
Formen von Fallangst können sein:
- Sturzangst im Alltag: Die ständige Sorge, plötzlich das Gleichgewicht zu verlieren – auch ohne konkrete Auslöser oder Vorgeschichte.
- Höhenangst: Die Angst, aus größerer Höhe zu stürzen – oft visuell ausgelöst.
- Fallangst nach einem Sturz: Entwickelt sich nach einem Unfall oder einer Verletzung – das Vertrauen in den Körper ist erschüttert.
- Spezifische Situationen: Klettern, enge Brücken, glatte Gehwege oder – wie bei mir – Rolltreppen.
Mögliche Auswirkungen:
- Weniger Bewegung: Man vermeidet riskante Situationen – und damit auch Aktivitäten, Bewegung, manchmal sogar Ausflüge.
- Eingeschränktes Selbstvertrauen: Wer seinem eigenen Körper nicht mehr traut, verliert schnell Sicherheit.
- Angst und Stress: In schweren Fällen kann es zu Panikreaktionen oder ständiger innerer Anspannung kommen.
- Weniger Lebensqualität: Man zieht sich zurück, plant um, lebt „vorsichtiger“ – oft unbemerkt von außen.
Was hilft:
- Professionelle Unterstützung: Eine Therapie kann helfen, die Ursachen zu verstehen und daran zu arbeiten.
- Sturzprävention & Training: Übungen für Gleichgewicht und Standfestigkeit geben körperliche Sicherheit zurück.
- Achtsamkeit & Entspannung: Techniken, um im Moment zu bleiben, statt sich vom „Was wäre wenn“ überrollen zu lassen.
- Austausch mit anderen: Es hilft, offen zu reden – ob mit Freunden oder in Selbsthilfegruppen.
Kurz gesagt:
Fallangst ist mehr als „ein bisschen Schiss“ – sie ist real. Und sie ist behandelbar. Aber dafür muss man sie erstmal ernst nehmen. Ich tue das inzwischen. Und genau deshalb schreibe ich diesen Text.

Rolltreppen? Nur mit Anker.
Wenn jemand direkt vor mir steht – eine Art emotionaler Puffer – schaffe ich es manchmal. Vorzugsweise ist das jemand, dem ich vertraue. Meine beste Freundin weiß Bescheid und unterstützt mich sehr.
Aber allein? Keine Chance. Dann bleibe ich lieber stehen, bis sich eine Alternative ergibt. Oder ich gehe zu Fuß – egal wie schwer das Handgepäck ist.
Mein absoluter Endgegner
Die Rolltreppe im Glasbau von Terminal 2 am Münchner Flughafen. Riesig, steil, gläsern – für mich ein Albtraum. Wenn ich dort ankomme, nehme ich jedes Mal die Treppe. Mit Tasche, mit Rucksack – ganz egal. Ich komme schwitzend unten an, aber wenigstens mit sicherem Boden unter den Füßen.
London war eine Herausforderung
Letztes Jahr war ich mit zwei Freundinnen in London. Wer die Stadt kennt, weiß: Zur Underground geht’s fast nur mit langen Rolltreppen abwärts. Und auch wenn ich es mir vorgenommen hatte – es klappte kaum. Der Einstieg war zu viel. Zum Glück waren meine Reisebegleitungen extrem verständnisvoll. Sie gingen vor, nahmen Rücksicht – und am Ende fuhren wir fast ausschließlich Bus. Auch das ist ein wichtiger Punkt: Verständnis macht so vieles leichter.
Warum ich das hier aufschreibe
Weil man es mir nicht ansieht. Ich wirke körperlich fit. Aber trotzdem ist da diese Blockade, die sich in ganz bestimmten Momenten meldet. Menschen hinter mir an der Rolltreppe sehen nur jemanden, der „trödelt“.
Deshalb schreibe ich diesen Text: damit man versteht, dass nicht jede Angst sichtbar ist. Und dass Rücksicht manchmal nur eine Sache von Sekunden ist.
Was mir hilft
- Eine Person vor mir, die mir Orientierung gibt
- Verständnis von meinem Umfeld
- Alternativen wie Treppen oder Aufzüge
- Physio, Balanceübungen, Geduld mit mir selbst
- Und die Einsicht: Ich muss nicht funktionieren. Ich darf auch mal andere Wege gehen.
- Im Winter: Spikes an den Schuhen. Denn auch eisige Gehwege lösen bei mir leichte Fallangst aus – einfach, weil ich nie weiß, wie rutschig es wirklich ist.
Und dann war da noch Tromsø…
Wenn wir im Winter in Tromsø unterwegs sind, habe ich inzwischen immer stadttaugliche Spikes für die Schuhe dabei – nicht als Mode-Statement, sondern aus bitterer Erfahrung. 2020 bin ich nämlich direkt vor der Stadtbibliothek so elegant wie ein nasser Kartoffelsack auf dem vereisten Gehweg ausgerutscht und auf dem Hintern gelandet.
Seitdem weiß mein Körper: Eis ist nicht nur kalt, sondern potenziell gefährlich. Und auch wenn ich heute drüber lachen kann – mein Gleichgewichtssystem lacht nicht mit. Seitdem ist da jedes Mal diese leise Anspannung beim Gehen auf glatten Wegen. Nicht dramatisch, aber da. Und genau das ist Fallangst in Reinform.

Fazit
Ich habe Fallangst. Und das ist okay. Es macht mich nicht schwach, es macht mich ehrlich. Ich habe gelernt, gut damit zu leben – mit der nötigen Portion Pragmatismus, Humor und einem festen Willen.
Und wenn du dich in irgendetwas wiedererkennst: Du bist nicht allein.
📌 Und ja, selbst in der virtuellen Welt bleibe ich nicht verschont: In Minecraft machen mir Höhen genauso zu schaffen wie im echten Leben. Mehr dazu gibt’s in einem separaten Beitrag – mit Shift-Taste als Lebensversicherung.
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Ich staune immer wieder, was der Körper so natürlich eigentlich wuppt und wie eingeschränkt man auf einmal ist, wenn etwas davon nicht richtig funktioniert. Ich bin zwar auch jemand, der lieber die Treppe als die Rolltreppe nimmt, aber bei mir hat das eher andere Gründe. Du hast recht, vieles sieht man nicht und dann urteilt man schnell.
Davon hatte ich noch nie was gehört, Danke für den offenen und mutigen Beitrag. Immer wieder erstaunlich, was unser Kopf und unser Körper für Eigenheiten haben können, im guten wie auch im negativen, störenden Sinne.