
Lesestatistiken: Zwischen Motivation und Vergleichsdruck
In letzter Zeit habe ich wieder richtig viel gelesen – und wie so oft, wenn man sich in Buchkreisen bewegt, kommt dabei auch das Thema Lesestatistiken auf. Manche zählen, wie viele Bücher sie im Jahr geschafft haben, andere führen akribisch ihre Seitenzahlen. Ich selbst nutze dafür die App Reado, in der ich täglich meine gelesenen Seiten tracke und eintrage, wenn ich ein Buch beendet habe. Das macht mir Spaß, weil ich so einen kleinen Überblick über mein Leseverhalten bekomme. Aber so richtig vergleichbar finde ich das Ganze trotzdem nicht. Denn ein Buch ist nicht gleich ein Buch, und auch eine Seite ist nicht gleich eine Seite.
Bücher oder Seiten – wo liegt das Problem?
Das Problem ist: Weder die Anzahl der Bücher noch die Anzahl der Seiten sind wirklich fair vergleichbar.
Wenn jemand fünf dünne Romane mit je 200 Seiten liest, landet er am Ende bei 1.000 Seiten. Jemand anderes liest vielleicht zwei dicke Wälzer mit jeweils 600 Seiten – also 1.200 Seiten. Von der Buchanzahl her wirkt es so, als hätte die erste Person „mehr geschafft“. Schaut man auf die Seitenzahlen, liegt aber die zweite Person vorne.
Und selbst bei den Seiten wird es knifflig. Denn nicht jede Seite ist gleich. Manche Bücher sind groß gesetzt, mit breiten Rändern und viel Dialog – da rauschen die Seiten nur so durch. Andere haben eng bedruckte Seiten mit kleiner Schrift und dichtem Text, sodass man automatisch länger dafür braucht. Ganz zu schweigen von Fachbüchern oder Klassikern, die man langsamer liest, weil man zwischendurch öfter innehält oder Passagen nochmal liest.

E-Books und Hörbücher
Richtig kompliziert wird es, wenn man E-Books oder Hörbücher mit einbezieht. Bei E-Books hängt die Seitenanzahl oft von der eingestellten Schriftgröße oder vom Lesegerät ab – das macht den direkten Vergleich fast unmöglich. Viele Reader zeigen deshalb lieber Prozentangaben statt Seitenzahlen an.
Die App Reado, die ich nutze, rechnet diese Prozente dann in eine geschätzte Seitenzahl um. So lässt sich mein Lesefortschritt trotzdem gut in die Statistik einordnen. Ganz exakt ist das natürlich nicht, aber zumindest konsistenter, als wenn ich nur Prozentangaben hätte.
Hörbücher wiederum werden in Stunden angegeben, und auch da ist es ein Unterschied, ob ein Sprecher schnell oder sehr getragen liest.

Wettkampf in der Buchbubble
Wenn man sich in der Buchbubble umsieht, bekommt man manchmal den Eindruck, dass es fast schon ein kleiner Wettkampf ist: Wer liest am meisten Bücher? Wer schafft die meisten Seiten? Und bei Blogger*innen kommt noch dazu: Wer veröffentlicht die meisten Rezensionen?
Natürlich verstehe ich, dass man als Buchblogger regelmäßig Content braucht – das gehört irgendwie dazu. Trotzdem finde ich es schwierig, wenn das Gefühl entsteht, man müsste ständig liefern, um „mithalten“ zu können. Denn genau das nimmt schnell die Leichtigkeit am Lesen und macht aus einer Leidenschaft eine Art Pflichtprogramm.

Lesen ist kein Wettbewerb
Persönlich habe ich auch schon die Erfahrung gemacht, dass es beim Thema „Wie viel liest du eigentlich?“ schnell unangenehm werden kann. Wenn man sich darüber unterhält, bin ich manchmal echt baff, wie viele Bücher manche Menschen pro Monat lesen – und ehrlich gesagt fühle ich mich da manchmal ein bisschen klein. Es kam sogar schon vor, dass ich in solchen Gesprächen regelrecht untergebuttert wurde, weil meine Zahlen „zu niedrig“ wirkten.
Dabei finde ich: Lesen sollte kein Wettkampf sein. Ob jemand drei Bücher pro Monat liest, dreißig oder vielleicht auch mal gar keins – das sagt nichts darüber aus, wie intensiv oder wertvoll die Lesezeit war.

Fazit
Am Ende bleibt für mich: Lesen ist kein Wettbewerb. So sehr ich Zahlen und Statistiken mag – sie sind für mich eher ein kleiner Motivationsschub als ein Maßstab, an dem ich mich oder andere messen möchte. Für mich zählt, was ein Buch mit mir macht: ob es mich fesselt, berührt oder zum Nachdenken bringt. Und das lässt sich in keiner Tabelle der Welt erfassen.
Mich würde interessieren: Wie haltet ihr es mit euren Lesestatistiken? Zählt ihr Bücher, Seiten, Minuten – oder lasst ihr euch einfach treiben und genießt das Lesen ohne Zahlen?

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Ich führe über so ziemlich alles Statistiken, nur bei Büchern nicht bzw. ich bespreche die Bücher nach dem Lesen im Blog. Oft sind es nicht mehr als 3-4 pro Jahr, aber das ist auch okay so. In meiner Jugend habe ich pro Woche mindestens 2 Bücher gelesen, doch die Zeiten sind (leider) lange vorbei.