Wintersonnwende / Yule – Das Wiedererwachen des Lichts
Die Nächte sind lang geworden. Draußen liegt eine eigentümliche Stille über den Feldern, nur das Knistern des Frostes ist zu hören, wenn die Kälte den Boden gefangen hält. Es ist die Zeit, in der das Jahr zur Ruhe kommt und die Dunkelheit ihren Höhepunkt erreicht.
Hinter dem 14. Türchen des Bloghexen-Adventskalenders öffnet sich heute ein Blick auf ein altes Fest, das seit Jahrhunderten gefeiert wird: die Wintersonnwende, auch bekannt als Yule.
Der Ursprung von Yule
Yule ist eines der ältesten Feste des Jahreskreises. Ein Sonnenfest, das seit Jahrhunderten in vielen Regionen Europas gefeiert wird. Es markiert den Wendepunkt im Rad des Jahres: die Wiedergeburt des Lichts nach der längsten Nacht.
Die Wintersonnwende findet in der Regel am 21. oder 22. Dezember statt, wenn die Sonne ihren tiefsten Punkt erreicht und der Tag die kürzeste Dauer des Jahres hat. Ab diesem Moment kehrt das Licht langsam zurück, die Tage werden wieder länger und mit ihnen erwacht das Leben neu.
Für die kommenden Jahre fällt die Wintersonnwende genau auf:
- 21. Dezember 2025 um 16:03 MEZ
- 21. Dezember 2026 um 21:50 MEZ
- 22. Dezember 2027 um 03:42 MEZ
Seinen Ursprung hat Yule vermutlich in den nordischen und germanischen Kulturen, die das Fest über mehrere Tage hinweg feierten – meist vom 21. Dezember bis Anfang Januar. Diese Zeit galt als heilig: Das alte Jahr neigte sich dem Ende zu, und die Menschen glaubten, dass in diesen Nächten die Grenzen zwischen der Welt der Lebenden und der Geister besonders dünn waren.

Das Fest ist eng verbunden mit Baldur, dem Gott des Lichts und der Reinheit, dessen Tod und Wiedergeburt sinnbildlich für das Verschwinden und die Rückkehr der Sonne stehen. Die Wikinger glaubten, dass Baldurs Licht mit jedem Tag nach der Wintersonnwende stärker wurde und mit ihm Wärme, Fruchtbarkeit und Wohlstand in das Land zurückkehrten. So wurde Yule zum Fest des Lichts, der Hoffnung und des Neuanfangs. Eine Erinnerung daran, dass selbst nach der tiefsten Dunkelheit das Leben immer wiederkehrt.
Auch das Julfeuer oder der Yule-Block (engl. Yule Log) geht auf alte Traditionen zurück. In germanischen Haushalten wurde ein besonders großer Holzscheit ins Herdfeuer gelegt und sollte über zwölf Nächte hinweg brennen. Sein Licht symbolisierte die wiederkehrende Sonne, und seine Asche galt als Glücksbringer für das kommende Jahr. Später wurde der Yule-Block im Christentum in das Weihnachtsbrauchtum übernommen und lebt heute sogar noch als „Bûche de Noël“, die französische Weihnachtsbiskuitrolle, weiter.
Viele der modernen Weihnachtsbräuche haben ihren Ursprung in diesen alten Ritualen:
- Das Immergrün, das Haus und Hof schmückte, um Lebensenergie zu bewahren
- Das Kerzenlicht, das an das Julfeuer erinnert
- Das Geschenkgeben, das ursprünglich eine Opfergabe an die Natur und die Götter war
- Selbst der Weihnachtsbaum wird manchmal als Nachfolger des „Weltenbaums“ Yggdrasil gedeutet, der in der nordischen Mythologie alle Welten miteinander verbindet
Auch in keltischen Regionen wurde die Wintersonnwende gefeiert. Druiden ehrten die Sonne mit heiligen Feuern und beobachteten den Sonnenaufgang an besonderen Orten wie Stonehenge oder Newgrange in Irland, wo die ersten Strahlen der Sonne an diesem Tag genau durch die Ausrichtung der Steine fielen. Ein beeindruckendes Zeugnis dafür, wie wichtig dieser Moment im Jahreslauf war.
Yule steht also für das Wiedererwachen der Sonne, das Erwachen des Lebens und die Hoffnung, dass nach jeder Dunkelheit wieder Licht folgt.
Das Yule-Fest ist deutlich älter als das heutige Weihnachten. Es wurde in vorchristlicher Zeit rund um die Wintersonnwende gefeiert und markierte die Wiedergeburt der Sonne. Das Licht, das nach der längsten Nacht zurückkehrt.
Mit der Christianisierung übernahmen die Menschen viele dieser Bräuche. Der Termin des Weihnachtsfestes wurde bewusst in die Zeit der alten Sonnenfeste gelegt, um bestehende Traditionen fortzuführen.
So leben viele Yule-Elemente bis heute weiter: Immergrün, Kerzenlicht, Geschenke, Festmahl und Feuer. Symbole für Hoffnung, Wärme und neues Leben in der dunkelsten Zeit des Jahres.

Kurz erklärt: Odin, die Wilde Jagd und der Weihnachtsmann
Ein Aspekt, der in der Literatur zu Yule häufig erwähnt wird, betrifft Odin und die Wilde Jagd. Damit verbunden taucht immer wieder die Frage auf, wie Odin, die Wilde Jagd und sogar der Weihnachtsmann zusammenhängen. Hier eine kurze Einordnung zu diesem Thema:
Die Zeit um Yule galt im nordgermanischen Raum als besondere Phase, in der der Gott Odin eine zentrale Rolle spielte. In manchen Regionen führte er der Überlieferung nach die Wilde Jagd an. Einen geisterhaften Zug, der in stürmischen Winternächten über den Himmel ziehen sollte. Diese Vorstellungen finden sich in ganz Europa, doch im Norden wurde Odin häufig als Anführer genannt.
Einige Elemente dieser Wintertraditionen ähneln späteren Bräuchen rund um den Weihnachtsmann:
ein älterer bärtiger Mann, der in der dunklen Jahreszeit unterwegs ist, tierische Begleiter (Odin auf Sleipnir, Santa mit Rentieren) sowie das Motiv kleiner Gaben zum Jahreswechsel. Kinder legten früher Heu für Sleipnir aus. Ein Brauch, der in abgeschwächter Form an das weihnachtliche „Kekse-für-den-Weihnachtsmann“-Motiv erinnert.
Der moderne Weihnachtsmann ist dennoch kein direkter Nachfolger Odins. Vielmehr entstand er aus einer Mischung aus Nikolaustradition, nordischer Folklore und späterer Popkultur. Die Parallelen zeigen jedoch, wie stark sich kulturelle Vorstellungen über den Winter im Laufe der Jahrhunderte überlagert und weiterentwickelt haben.

Wintersonnwendfeuer: ein stiller Brauch, der geblieben ist
Neben den mythologischen Aspekten hat sich rund um die Wintersonnenwende auch ein ganz eigener Volksbrauch gehalten, der weit bodenständiger ist als die meisten Erzählungen: das Sonnwendfeuer.
Sonnwendfeuer wirken auf den ersten Blick wie ein uraltes Ritual und das sind sie auch, nur deutlich bodenständiger, als man häufig annimmt. In vielen Regionen Europas war das Feuer an der Wintersonnenwende vor allem eines: praktisch. Es brachte Licht in eine Zeit, in der die Tage kaum noch existent waren, es wärmte, und es bot einen Treffpunkt, an dem Menschen sich austauschen konnten. Dass man ausgerechnet am kürzesten Tag des Jahres ein Feuer entzündete, ist daher weniger „mystisch“ als logisch: Ab diesem Moment kehrt das Licht Schritt für Schritt zurück.
Diese Tradition hat sich über Jahrhunderte verändert, wurde umgedeutet, ergänzt oder stark vereinfacht. Manche Orte entzündeten große Holzstöße auf Anhöhen, andere hielten kleinere Feuerstellen im Dorfkern ab. Und genau in dieser Vielfalt erkennt man gut, wie sehr der Brauch mit dem Alltag der Menschen verwoben war. Er musste nicht perfekt, feierlich oder besonders symbolisch sein – er musste schlicht funktionieren.

Deshalb passt auch unsere heutige Form erstaunlich gut hinein: mehrere Feuerschalen über den Platz verteilt, Glühwein, etwas zu essen, und eine lockere, unaufgeregte Atmosphäre. Keine große Inszenierung, kein vorgeschriebenes Ritual. Einfach ein gemeinsamer Abend, an dem man kurz innehält, bevor das Jahr sich endgültig seinem Ende zuneigt. Diese Mischung aus Ruhe, Wärme und Nähe wirkt nicht spektakulär, aber genau das macht sie stimmig.
Historisch tauchen gelegentlich kleinere Rituale auf. Kräuter, die ins Feuer geworfen wurden, ein Stück verkohltes Holz, das man mitnahm, oder kleine Dankgesten für das vergangene Jahr. Das war aber nie flächendeckend oder einheitlich. Es zeigt eher, wie individuell solche Bräuche waren und wie unterschiedlich Gemeinschaften damit umgingen. Heute sind sie größtenteils verschwunden, aber der Grundgedanke blieb: ein Moment, der das Dunkle nicht verdrängt, sondern bewusst markiert, weil man weiß, dass es ab hier wieder heller wird.
Vielleicht ist das der Grund, warum das Wintersonnwendfeuer auch in einer modernen, hektischen Zeit Bestand hat. Es verlangt nichts, es belehrt nicht, und es funktioniert unabhängig von Religion oder Weltanschauung. Es ist einfach da. Ein ruhiger Punkt im Dezember, an dem man kurz stehen bleibt, sich die Hände wärmt und spürt, dass ein neuer Abschnitt beginnt, auch wenn sich im Alltag noch nichts verändert hat.

Ein einfaches Kerzenritual für Zuhause
Wenn die Dunkelheit ihren Höhepunkt erreicht, ist Yule der Moment, das Licht bewusst willkommen zu heißen. Dieses kleine Kerzenritual kannst du ganz für dich allein durchführen. Ohne großen Aufwand, aber mit viel Bedeutung.
Suche dir einen ruhigen Platz, vielleicht am Fenster oder auf einem kleinen Tisch, den du mit ein paar natürlichen Dingen schmückst: Tannenzweige, Zapfen, ein bisschen Gold oder Silber für das Licht und den Glanz. Stelle eine weiße oder goldene Kerze in die Mitte.
Zünde die Kerze mit einer bewussten Geste an, während du dir sagst:
„Ich begrüße das Licht, das wiederkehrt, in der Welt und in mir.“
Betrachte die Flamme und spüre, wie das warme Licht den Raum erfüllt. Denke an das, was du im alten Jahr loslassen möchtest: Sorgen, Ängste, alte Muster. Stell dir vor, wie die Dunkelheit sie aufnimmt, während das Licht sie in etwas Neues verwandelt.
Wenn du magst, kannst du danach eine zweite Kerze entzünden: Für das, was du dir für das neue Jahr wünschst: Mut, Frieden, Liebe, Kraft oder Heilung.
Lass die Kerzen so lange brennen, wie du möchtest. Manche lassen sie bis Mitternacht leuchten, andere löschen sie sanft und bewahren die Reste als Symbol für das kommende Jahr auf.
So wird das Ritual zu einem kleinen Versprechen: Das Licht in uns erlischt nie – es ruht nur, um neu zu erstrahlen.

Das Licht kehrt zurück
Yule erinnert uns daran, dass selbst in der tiefsten Dunkelheit das Licht niemals ganz erlischt.
Vielleicht ist das die wichtigste Botschaft dieses Festes: dass wir selbst in schwierigen Zeiten immer wieder Hoffnung finden können. So wie die Sonne, die unermüdlich über den Horizont zurückkehrt.
Wie feierst du die längste Nacht des Jahres? Entzündest du vielleicht auch ein Licht, eine Kerze oder ein Feuer, um das Licht willkommen zu heißen? ✨

Der Bloghexen-Adventskalender ist eine gemeinsame Aktion aus dem Bloghexen Forum. Jeden Tag im Dezember öffnet sich ein neues Türchen mit einem besonderen Blogbeitrag rund um die Weihnachtszeit, geschrieben von kreativen Blogger*innen aus unterschiedlichen Themenbereichen.
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Was für ein schöner Beitrag! Ich sitze hier im Schein der drei Adventskerzen mit einer Tasse Tee und lese deinen Beitrag und freue mich, dass wir bald den kürzesten Tag des Jahres geschafft haben.
Ich denke zwar eigentlich immer dran, wenn der Kalender den 21.12. zeigt, aber bisher haben wir das noch nie bewusst gefeiert.
Das mit dem kleinen Kerzen-Ritual ist eine schöne Idee, das werden wir mal machen. Ist auch eine schöne Einstimmung für die kommenden Rauhnächte.
Liebe Grüße
Kerstin