Zwischen Spaß und Selbstzerstörung – meine Gedanken zu Alkohol
Ich habe schon früh gesehen, was Alkohol mit einem Menschen machen kann. 2012 starb ein Kollege von mir an den Folgen seines jahrelangen Alkoholkonsums. Ich habe miterlebt, wie er sich Stück für Stück veränderte – wie aus einem zuverlässigen, herzlichen Menschen jemand wurde, den man kaum wiedererkannte. Alkohol hat ihn langsam zerstört.
Seitdem habe ich eine sehr klare Haltung zu diesem Thema.
Mein persönlicher Umgang mit Alkohol
Als Jugendliche habe ich keinen Tropfen Alkohol angerührt. Ich war immer diejenige, die gefahren ist – die Nüchterne inmitten derer, die sich „nur ein bisschen“ betrinken wollten. Später, als Erwachsene, trank ich ab und zu mal einen Cocktail, aber nur, wenn ich nicht mehr fahren musste. Und selbst dann blieb es bei einem Glas.
Ich mochte nie, was Alkohol aus Menschen macht: dieses sinnlose Gerede, das aufdringliche Verhalten, manchmal sogar Aggressivität. Durch meine Hypersensibilität packe ich den Geruch, den alkoholtrunkene Menschen ausdünsten, kaum. Mir wird regelrecht schlecht. Ich finde das abstoßend und anstrengend – besonders, wenn man versucht, sich mit ihnen zu unterhalten.

Wenn Trinken zur Selbstverständlichkeit wird
Was mich zusätzlich irritiert, ist, wie selbstverständlich Alkohol für viele dazugehört.
Wie normal es ist, „wegzugehen, um sich abzuschießen“. Wie manche das sogar im Vorfeld ankündigen – als wäre das etwas Positives, ein Grund zum Feiern.
Ich sag ja gar nichts, wenn man sich mal ein Bier oder einen guten Cocktail genehmigt. Aber oft wird die Grenze so schnell überschritten.
Man sieht es ja leider überall: Bei fast jeder Party, jedem Fest oder Konzert gehört Alkohol einfach dazu. Für viele ist Bier inzwischen fast so etwas wie ein „Grundnahrungsmittel“.
Diese Selbstverständlichkeit finde ich ehrlich gesagt bedenklich – weil sie das wahre Risiko verharmlost und Alkohol zu etwas macht, das man gar nicht mehr hinterfragt.
Fun Fact: In Bayern wird gern gesagt, Bier sei ein „Grundnahrungsmittel“ – und das kommt nicht von ungefähr. Historisch galt Bier tatsächlich als „flüssiges Brot“, weil es früher oft keimfreier war als Wasser und viele Kalorien lieferte. Offiziell ist Bier natürlich kein Grundnahrungsmittel – aber steuerrechtlich wird es in Bayern tatsächlich als Lebensmittel geführt 🍺😉
Erst kürzlich hat sich hier in der Region wieder ein schwerer Verkehrsunfall ereignet – Alkohol war im Spiel. Zum Glück wurde niemand schwer verletzt, aber allein der Gedanke, dass so etwas immer noch passiert, zeigt, wie gefährlich und unberechenbar Alkohol am Steuer ist.
Oft schätzen die Menschen die Wirkung völlig falsch ein und meinen, sie seien nach ein paar Bier noch fahrtüchtig. Sie überschätzen sich – und genau das macht Alkohol so gefährlich. Das klare Denken täuscht, während Reaktionsfähigkeit und Urteilsvermögen längst eingeschränkt sind.
Natürlich kann man diskutieren, wo diese Grenze liegt. Jeder ist für sich selbst verantwortlich. Aber ich sehe den Konsum von Alkohol insgesamt sehr kritisch.

Alkohol ist kein harmloses Genussmittel
Denn Alkohol ist kein harmloses Genussmittel – er ist ein Zell- und Nervengift.
Das klingt drastisch, aber es ist wissenschaftlich belegt: Ethanol wirkt direkt auf das zentrale Nervensystem, verändert die Signalübertragung zwischen Nervenzellen und beeinträchtigt so Wahrnehmung, Koordination und Reaktionsfähigkeit. Schon kleine Mengen führen zu messbaren Veränderungen im Gehirn.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) betont, dass es keine gesundheitlich unbedenkliche Menge Alkohol gibt. Jeder Schluck kann Zellen schädigen und das Risiko für Krankheiten erhöhen.
Alkohol gilt außerdem als krebserregend, eingestuft in der höchsten Risikogruppe – derselben Kategorie wie Tabakrauch oder Asbest. Besonders gefährdet sind Speiseröhre, Leber, Brust, Darm und Mundhöhle. 1
Und auch das Gehirn selbst reagiert empfindlich: Bei regelmäßigem Konsum sterben Nervenzellen ab, es kommt zu Konzentrationsproblemen, Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen und den bekannten „Blackouts“. Langfristig kann sich das Gehirn sogar sichtbar verändern – es schrumpft, was in der Medizin als alkoholbedingte Hirnatrophie bezeichnet wird.
🍷 Der Mythos vom „gesunden Rotwein“
Immer wieder heißt es, ein Glas Rotwein am Tag sei gesund – doch dieser Glaube stammt aus älteren, mittlerweile widerlegten Studien. In den 1990er-Jahren wurde im Zusammenhang mit dem sogenannten „French Paradox“ vermutet, dass Franzosen aufgrund ihres Rotweinkonsums seltener Herz-Kreislauf-Erkrankungen hätten. Spätere Forschungen zeigten jedoch: Der Effekt lag nicht am Alkohol, sondern an bestimmten sekundären Pflanzenstoffen wie Resveratrol, die auch in Trauben, Blaubeeren oder Erdnüssen vorkommen – ganz ohne Alkohol.
Heute sind sich die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) und das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) einig:
Es gibt keine gesundheitlich unbedenkliche oder gar förderliche Menge an Alkohol.
Selbst kleine Mengen erhöhen das Risiko für bestimmte Krebsarten, Bluthochdruck und Lebererkrankungen. Das Glas Rotwein „fürs Herz“ ist also ein schöner Mythos – aber wissenschaftlich nicht haltbar.
Alkohol wirkt zudem auf die Emotionen: Er schwächt die Impulskontrolle und verstärkt Gefühle. Manche werden dadurch überschwänglich, andere aggressiv oder traurig. Das erklärt, warum Alkohol nicht selten Streit, Gewalt oder peinliche Situationen auslöst – Dinge, die man nüchtern wahrscheinlich nie tun oder sagen würde.

Gesellschaftlich akzeptiert – und doch gefährlich
Ich finde es erschreckend, wie leichtfertig wir in unserer Gesellschaft mit dieser Substanz umgehen. Wie normal es ist, Alkohol auf jeder Feier, bei jedem Event, in jeder Bar und sogar im Stadion zu sehen. Dabei ist Alkohol das gefährlichste legale Suchtmittel der Welt – und dennoch gesellschaftlich voll akzeptiert.
Auf meinen Reisen nach Skandinavien habe ich erlebt, dass der Umgang mit Alkohol dort ganz anders ist – bewusster, kontrollierter. Vielleicht müsste man gar nicht immer neue Kampagnen starten, sondern einfach mal hinschauen, wie es andere Länder machen. In Schweden, Norwegen oder Finnland etwa wird Alkohol sehr streng gehandhabt – und das hat spürbare Auswirkungen.
🇸🇪🇳🇴🇫🇮 Alkohol in Skandinavien – ein anderes Verhältnis
In Skandinavien wird Alkohol sehr viel strenger gehandhabt als in Mitteleuropa. In Ländern wie Schweden, Norwegen und Finnland darf hochprozentiger Alkohol nur in staatlichen Geschäften verkauft werden – dem Systembolaget (Schweden), Vinmonopolet (Norwegen) oder Alko Oy (Finnland). Die Preise sind hoch, die Öffnungszeiten kurz, und Werbung ist verboten.
Diese Politik zeigt Wirkung: Studien belegen, dass dadurch weniger Alkohol konsumiert wird, insbesondere unter Jugendlichen. Alkoholbedingte Krankheiten, Verkehrsunfälle und Gewalttaten sind im Vergleich zu vielen anderen europäischen Ländern deutlich geringer.
Allerdings bleibt das Trinkverhalten kulturell verschieden. Während in Deutschland Alkohol fast zu jeder Gelegenheit gehört, wird in Skandinavien eher seltener, dafür intensiver getrunken – meist zu besonderen Anlässen. Dieses Verhalten wird auch als „Nordic drinking pattern“ bezeichnet: weniger Alltagskonsum, dafür ausgeprägtes Trinken bei Feiern oder Wochenendtreffen.
Wer Alkohol nicht an jeder Ecke bekommt, trinkt bewusster – oder gar nicht.
Ich finde diesen bewussteren Umgang beeindruckend. Vielleicht braucht es gar keine völlige Abstinenz, sondern einfach mehr Achtsamkeit – und die Erkenntnis, dass Alkohol nichts mit echtem Spaß oder Freiheit zu tun hat. Solche Beispiele zeigen mir immer wieder, dass es auch anders geht. Und je öfter ich das sehe, desto sicherer bin ich mir: Wenn die Wellenlänge stimmt und die Gesellschaft passt, braucht es keinen Alkohol, um sich lebendig zu fühlen.
Vielleicht ist das der Punkt, an dem wir uns alle einmal fragen sollten:
Warum glauben wir eigentlich, dass man trinken muss, um loszulassen?
Ich möchte niemandem den Alkoholkonsum verbieten. Jeder sollte selbst entscheiden, was für ihn oder sie richtig ist. Aber vielleicht wäre es ein Anfang, einfach mal darüber nachzudenken, wie viel man konsumiert – und warum man es tut.

Und ja – auf meinem Blog gibt es auch Berichte über eine Brauerei und eine Destillerie. Das passt trotzdem zu diesem Artikel. Für mich sind solche Besuche ein kulturelles Erlebnis und Teil meiner Reisen – kein Freifahrtschein für gedankenlosen Konsum.
Natürlich weiß ich, dass Alkohol weit mehr Probleme verursachen kann als das, worüber ich hier geschrieben habe. Das Thema Sucht ist groß und vielschichtig – für diesen Beitrag wäre es zu umfangreich. Hier ging es mir bewusst um den alltäglichen Konsum und unsere gesellschaftliche Haltung dazu.
PS:
Ich trinke selbst hin und wieder mal einen Cocktail – meist einen leichten Gin Tonic. Aber das kommt mittlerweile sehr, sehr selten vor. Ich bin also keine Heilige 😉 und ich sammele Whiskys aus Skandinavien 🫣
Ich versuche einfach, meinen Konsum so gering wie möglich zu halten, weil ich meine Prinzipien habe – und weil mir meine Gesundheit wichtig ist.

- https://www.who.int/europe/de/news/item/28-12-2022-no-level-of-alcohol-consumption-is-safe-for-our-health
https://www.who.int/europe/de/news/item/02-10-2024-redefine-alcohol–who-s-urgent-call-for-europe-to-rethink-alcohol-s-place-in-society ↩︎
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Ich bin tatsächlich nie ins Alkohol-Trinken eingestiegen. Es roch für mich nicht gut und da meine Eltern aus meiner Sicht zuviel aus gesellschaftlicher Sicht eine normale Menge tranken, war dennoch der Alkohol andauernd um mich herum.
Ich bin froh darüber, dass nun diese Alltagsdroge ganz langsam entzaubert wird und ich hoffe, dass sich mit den Jahren oder Jahrzehnten sich etwas verändert.